Weniger ist mehr
Oder: Eine fortlaufende Echtzeitreportage Ihres Hausarztes zum Thema der aktiven Gewichtsreduktion | Teil 1
Prolog | Die Idee
... das gilt auch und erst recht für den gereiften weißen Mann, man/frau/es könnte auch sagen Cis-Mann. Diese Einsicht ist für mich nicht ganz neu, aber immer einmal wieder unter Seufzen und Ausreden in ihrer Ausführung vertagt. Anlässlich unserer Urlaubsreise nach Norwegen, dem Land der zähen Outdoor-Menschen und untersetzten Trolle ergab sich aktuell ein neuer Schub der Besinnung und starken Vorsätze. Eigentlich lebe ich ja von der genannten Einsicht, nur dass ich sie beruflich eher predigen und überprüfen denn befolgen muss. Nachdem ich eigentlich zeitlebens immer recht sportlich unterwegs gewesen bin, hat sich im Zuge eines länger währenden Handicaps und ablenkender wichtiger Probleme eine gewisse Behaglichkeit eingeschlichen: das Gefühl, nicht mehr so streng mit sich sein zu müssen, da man vieles ja schon mal gemacht und erreicht hat und das, was man nicht erreicht hat, eh keine Chance auf Durchführung mehr hat (und Tochter und Sohn nun stellvertretend leisten). Es wäre zu früherer Zeit nun der Punkt gekommen, einen dunklen Gehrock anzuziehen, einen Zylinder aufzusetzen und sich mit Apotheker, Pfarrer und Bürgermeister im Ratskeller zu treffen. Die Zeiten haben sich jedoch geändert: der Bürgermeister ist im Homeoffice, die Apothekerin macht einen Kurs im Kite-Surfen und den Pfarrer gibt es schon längst nicht mehr. Und mein Handicap ist auch überwunden – was nun?
Die Physiologie des menschlichen Körpers ist mir vertraut, eigene Schwächen und Sünden sind mir leider kein Geheimnis mehr, von Hirschhausen und der Ernährungskompass von Kaas verstanden, die Sportgeräte sind geölt und gezurrt, Erfahrung liegt genug vor. Also ran an den Speck, den Rettungsring, das Herrenbäuchlein. Das Ziel ist bald definiert: in Kilogramm, in einer Kleidergröße, in einer Laufstrecke, in einer Seitenansicht im Spiegel. Aber halt, Vorsicht! Ich muss es nach Plan tun, langatmig, diszipliniert und bescheiden, also wider meine Natur geduldig. Ich muss es nachhaltig anlegen, Frustration und auch ein neues Handicap vermeiden. Der Grundumsatz meines Körpers ist seit dem 40. Lebensjahr jährlich um ca. 1% gesunken, um das 50. Lebensjahr hatte eigentlich immer mindestens ein Kumpan in der Laufgruppe oder der Tennis-Thekenmannschaft ein Zimperlein oder mehr zu bieten! Bei mir war es die chronifizierte Achillessehnenreizung, die Verletzung der Helden, also jener, die sich gerne blind überfordern bzw. sich nicht gut gedehnt haben.
Am Anfang steht die Psychologie. Ich habe ein Ziel für mich definiert, den Weg vor Augen, jetzt brauche ich eine lang wirkende Motivation.
Erstens mache ich mich mir selbst gegenüber ehrlich.
Zweitens veröffentliche ich mein Ziel gegenüber Ehefrau und Familie, um wohlwollenden Druck aufzubauen und schreibe dies hier, um noch mehr Erwartungsdruck hinzuzufügen – wer blamiert sich schon gerne?
Drittens hänge ich eine Gewichtstabelle gut sichtbar in Bad oder Küche auf, wiege mich hinfort jeden Tag und trage den Verlauf unbarmherzig oder stolz ein.
Viertens stelle ich mir ein schönes Ergebnis vor, z.B. wieder in den schönen Anzug oder die coole Lederjacke hineinzupassen, und setze weitere Belohnungen für mich aus.
Fünftens halte ich mir alle Nachteile vor Augen, die sich ergeben können und werden, soweit ich nichts tue – und da bin ich dann ja auch wieder der Experte.
Sechstens stelle ich Zwischenziele auf: nach meiner Erfahrung ist eine konstante Gewichtsabnahme von ½–1 kg Körpergewicht pro Woche nach einer Einführungsphase von ca. 2 Wochen realistisch. Ich weiß: das Tagesgewicht wird schwanken, die Punkte auf meiner Gewichtstabelle werden im Verlauf streuen, Zweifel wird aufkommen. Ich weiß aber auch: die Gerade, die gemittelt durch die Punktwolke meiner Graphik ziehen wird, wird nach unten gehen!
Siebtens werde ich Ausnahmen zulassen, muss sie aber klar limitieren auf besondere Anlässe.
Achtens setze ich den Starttermin fest. Da wir noch eine Woche lang die Reise durch Skandinavien fortsetzen und genießen werden, setze ich fest: den Sonntag, den ersten Tag nach unserer Wiederkehr nachhause. Feder, Tinte, Siegel! Aber eine Stunde Yoga kann ich ja heute schon einmal machen – das geht überall auf einem Quadratmeter! Jetzt wandern wir gleich erst einmal mit den Freunden hier in Schweden. Und der See ist auch toll und ...
Um den Erfolg zu sichern, setze ich mehrere Hebel an, die ich noch ausführen werde, vorab:
- Kein Alkohol (bis auf besondere Ausnahmen)
- Kalorienreduzierte Nahrung, sicher keine Süßigkeiten, kein „Knabberspaß“ etc.
- Wenig Kohlenhydrate, kein Brot, keine Weizenmehlprodukte
- 16:8 Taktung, kein oder spätes Frühstück, kein spätes Abendmahl
- Jeden Tag Bewegung, wöchentlich mindestens 5 Sporteinheiten (mindestens eine Stunde, insbesondere Ausdauersport) – aber mal langsam angehen lassen!
Das hört sich grausam an? Es ist, wie ich weiß, absolut realistisch! Ich werde gute Dinge dagegenhalten und dazu gewinnen.
Man muss sie alle gelesen haben:
Individuelle Gedanken, Anregungen und wissenschaftlicher Input von Dr. med. Rüdiger zur Bonsen / Arztpraxis-Marienburg rund um das Thema aktives Abnehmen.
Teil 2 | Auf dem Weg >>
Teil 3 | Von Rudergerät und Yoga >>
Teil 4 | Die Ernährungsjoker >>
Teil 5 | Im Rhythmus >>
Teil 6 | Stemmen und Trinken >>
Teil 7 | Gewicht ist dynamisch >>
Teil 8 | Essen und Index >>
Teil 9 | Milch- und Sportarten >>
Teil 10 | Von Fastenzeit und Mundgeruch >>
Teil 11 | Der Kampf geht weiter >>